Neues zu AGB in Verbraucherverträgen – Vorabentscheidungsersuchen zu 4 Ob 131/21 z

Vorsicht Vertragsgestalter – führt die Heranziehung gröblich benachteiligender Bestimmungen zum Verlust gesetzlich zustehender Ansprüche in Verbraucherverträgen – Vorabentscheidungsersuchen zu 4 Ob 131/21 z

Dem zwischen der klagenden Gesellschaft und einem Pensionisten abgeschlossenen Kaufvertrag vom 12.11.2017 über den Erwerb einer Einbauküche lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde. Diese enthielten unter anderem folgende Bestimmung, welche von sämtlichen Instanzen des Verfahrens als gröblich benachteiligend und damit missbräuchlich im Sinne des Art 6 Abs 1 Klausel-RL qualifiziert wurde:

 „V. Vertragsrücktritt“

Tritt der Kunde – ohne dazu berechtigt zu sein – vom Vertrag zurück oder begehrt er seine Aufhebung, so haben wir die Wahl, auf die Erfüllung des Vertrages zu bestehen oder der Aufhebung des Vertrages zuzustimmen; im letzteren Fall ist der Kunde verpflichtet, nach unserer Wahl einen pauschalierten Schadenersatz in Höhe von 20 % des Bruttorechnungsbetrages oder den tatsächlich entstandenen Schaden zu bezahlen. Soweit Planungsarbeiten nicht gesondert abgegolten werden, machen wir im Falle des Rücktrittes des Verkäufers vom Vertrag unsere Urheberrechte an allen entsprechenden Planunterlagen geltend.“

Da der Beklagte das Haus, für welches die Einbauküche bestimmt war, nicht erwerben konnte, trat er am 27.11.2017 zu Unrecht (!) vom Kaufvertrag zurück. Der Klägerin wäre bei Erfüllung des Vertrages ein Gewinn von insgesamt EUR 5.270,60 verblieben, welchen sie im gegenständlichen Prozess geltend machte. Für die nachfolgenden Ausführungen ist entscheidend, dass die Klägerin sich dabei auf die allgemeine Bestimmung des § 921 ABGB, welche dem Gläubiger einen Anspruch auf das Erfüllungsinteresse, also gegenständlich den Gewinn iHv EUR 5.270,60 gewähren würde, stützte und dezidiert nicht auf die oben angeführte, missbräuchliche Klausel der zum Vertragsinhalt gemachten AGB.

Der OGH legte dem Europäischen Gerichtshof unter anderem die Frage vor, ob die Anwendung von dispositivem nationalem Recht (hier: § 921 ABGB) auch dann ausgeschlossen sei, wenn der Unternehmer seine Schadenersatzforderung gegenüber dem Verbraucher nicht auf eine missbräuchliche Klausel, sondern eben auf dieses dispositive Recht stütze und gibt in weiterer Folge einen guten Überblick über die bisherige Rechtsprechung des EuGH:

Bisherige Rechtsprechung des EuGH

Nach dem EuGH ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob ein Vertrag nach Wegfall einer missbräuchlichen Klausel ohne Heranziehung dispositiver Bestimmungen noch durchführbar ist. Ist dies nicht der Fall, sprich wäre der gesamte Vertrag mangels Durchführbarkeit Nichtigkeit, wird die Befugnis zum Ersetzen einer Klausel durch dispositive Bestimmungen als unproblematisch erachtet, wenn dem Verbraucher durch die Nichtigkeit des Gesamtwerks ein noch größerer Nachteil droht (EuGH C-26/13, Kásler, Rn 85: Darlehensvertrag, bei welchem der Verbraucher im Falle der Nichtigkeit des gesamten Vertrages mit der sofortigen Fälligstellung des gesamten Darlehensbetrages konfrontiert gewesen wäre).

Konkretisiert wurden die Ausführungen in der Kásler-Entscheidung zu EuGH C-487/13 Unicaja Banco SA und Caixabank SA (Klausel in Hypothekardarlehensvertrag, nach welcher der Darlehensgeber, falls der Darlehensnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, den anfänglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt vorverlegen und die Zahlung des gesamten geschuldeten Kapitals zzgl Zinsen etc verlangen kann), wonach der Ersatz einer missbräuchlichen Klausel durch eine dispositive nationale Vorschrift dann für zulässig erachtet wird, wenn dadurch ein Gleichgewicht der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien wiederherzustellen ist und damit im Einklang mit dem Ziel von Art 6 Abs 1 der Klausel-RL stehe.

Ganz im Sinne dieser Rechtsprechung judizierte der EuGH jüngst in C-229/19 und C-289/19 Dexia (missbräuchliche Klausel zu Entschädigungsleistungen bei vorzeitiger Kündigung von Aktienleasingverträgen aufgrund verspäteter Zahlungen von Leasingraten), dass das nationale Gericht gemäß Art 6 Abs 1 der Klausel-RL nicht befugt ist, die missbräuchliche Klausel durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts zu ersetzen, wenn die Ungültigerklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht nicht zwingen würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, so dass er dadurch geschädigt würde. Die Begründung für die restriktive Anwendbarkeit des hinter der gröblich benachteiligenden Bestimmung stehenden anwendbaren dispositiven Rechts wird aus Art. 7 Abs 1 Klausel-RL und dem daraus abgeleiteten Abschreckungseffekt gewonnen. Dieser soll den Gewerbetreibenden davon abhalten, eine missbräuchliche Klausel zu verwenden, wohlwissend, dass selbst im Falle, dass diese für missbräuchlich erklärt würde, der Vertrag ohnehin vom nationalen Gericht im erforderlichen Umfang angepasst werden könne, so dass, salopp formuliert, die Verwendung missbräuchlicher Klauseln ohne Risiko bleibt. Daher wurde der gewerbetreibenden Bank in den Dexia-Fällen eine Entschädigungsleistung weder aufgrund der missbräuchlichen Vertragsklausel noch aufgrund dispositiver Bestimmungen des nationalen Rechts gewährt.

Quintessenz

Aus dieser Rechtsprechung könnte auch im Anlassfall zu 4 Ob 131/21z die Schlussfolgerung gezogen werden, dass dem Unternehmer trotz rechtswidrigen Rücktrittes des Verbrauchers keine Entschädigungsleistung nach dispositivem Recht, konkret § 921 ABGB, zusteht, da er sich in seinen AGB einer missbräuchlichen Klausel bedient und die Durchführbarkeit des gegenständlichen Kaufvertrages wohl nicht von der Ersatzfähigkeit des Erfüllungsinteresses des Unternehmers abhängig ist.

Für Unternehmer und Vertragserrichter bedeutet dies, dass bei der Ausgestaltung von Verbraucherverträgen besondere Bedachtnahme auf die Verbraucherrechtskonformität zu legen ist, da im schlimmsten Fall nicht nur die Beseitigung des vertraglich gewünschten „Idealzustandes“ droht, sondern darüber hinaus auch der Verlust eines nach allgemeinem Recht grundsätzlich zu Recht bestehenden Anspruchs. Anders formuliert, eine nach Art 6 Abs 1 Klausel-RL missbräuchliche Klausel verdrängt nicht nur das dahinterstehende dispositive Recht, sondern droht dieses außer Kraft zu setzen.

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Dr. Gerald Waitz                                                     Dr. Georg Steidl

   

 

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