Neue OGH-Entscheidung: Besteht ein Rechtsschutz für die Klage gegen den Betriebsunterbrechungsversicherer?

Zuletzt haben wir uns in dem Beitrag zur Betriebsunterbrechungsversicherung vom 25.03.2021  mit der Frage beschäftigt, ob die behördlich veranlassten Betriebsschließungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise vom Versicherungsschutz der Betriebsunterbrechungsversicherung umfasst sind.

In der Zwischenzeit hat sich der OGH in einer aktuellen Entscheidung auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob angestrebte Verfahren gegen das Betriebsunterbrechungsversicherungsunternehmen von der Rechtsschutz-versicherung gedeckt sind.

Der aktuellen OGH-Entscheidung (7 Ob 42/21h vom 24.03.2021) liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Zwischen der Klägerin (Hotelbetreiberin) und der Beklagten (Versicherungsunternehmen) besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 2006 (ARB 2006) zugrunde liegen. In Art 7.1.4 der ARB findet sich eine Risikoausschlussklausel. Demnach besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.

Aufgrund der Betriebsschließung vom 16.03.2020 bis 19.04.2020 begehrte die Klägerin eine Leistung (Verdienstentgang) aus ihrer Betriebsunterbrechungsversicherung. Hierfür suchte die Klägerin bei der Beklagten um Rechtsschutzdeckung für ein gegen ihren „Betriebsunterbrechungsversicherer“ anzustrengendes Verfahren an und brachte schlussendlich eine Deckungsklage ein. Die Klage wurde in der ersten und zweiten Instanz abgewiesen. Diese Entscheidung wurde auch vom OGH bestätigt.

Kernaussagen des Obersten Gerichtshofes:

Der OGH setzte sich in seiner Entscheidung mit diversen unterschiedlichen Literaturmeinungen auseinander und sprach schlussendlich Folgendes aus:

Bei behördlichen Anordnungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, welche die Allgemeinheit und alle Beherbergungsbetriebe (sowohl bezirks- als auch landesweit) betreffen, liegt ein „mittelbarer“ Zusammenhang zwischen der angestrebten Rechtsverfolgung und den behördlichen Anordnungen vor. Die pandemiebedingten Betriebsschließungen sind daher grundsätzlich vom Risikoausschluss umfasst. Ein „mittelbarer Zusammenhang“ liegt deshalb vor, weil zentrale Maßnahme zur Bekämpfung der Pandemie, die Kontaktevermeidung war. Diese brachte als logische Konsequenz weitreichende Betriebsschließungen im touristischen Bereich mit sich. Die behördlichen Betretungsverbote und Betriebsschließungen waren somit ein bewusst eingesetztes Mittel zur Pandemiebekämpfung, sodass ein mittelbarer Zusammenhang zwischen der angestrebten Rechtsverfolgung gegenüber dem Betriebsunterbrechungsversicherer und den behördlichen Anordnungen nach Ansicht des OGH nicht angezweifelt werden kann. Die Deckungsklage ist daher auch nach Ansicht des OGH nicht berechtigt.

Der OGH beschäftigte sich in seiner Entscheidung auch mit der Frage, ob der Risikoausschluss in Art 7.1.4 der ARB gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB sein kann. Der OGH verneinte in diesem Fall eine gröbliche Benachteiligung aus folgendem Grund:

Zum einen besteht keine einschlägige dispositive Regelung, an der man sich orientieren könnte. Zum anderen soll durch den Ausschluss keine Deckung für besonders schwer kalkulierbare, unabsehbare Risiken gewährt werden, die sich in der Folge eines außergewöhnlichen Ereignisses verwirklichen, das behördliche Maßnahmen gegen eine größere Anzahl von Personen erfordert. Ein so gestalteter Ausschluss entspricht nach Ansicht des OGH auch den Interessen der einzelnen Versicherungsnehmer („zuverlässige Tarifkalkulation“).

In unserem Beitrag „Risikoausschluss der Rechtschutzversicherung wegen COVID-19 zulässig?“ vom 08.03.2021  haben wir eine erstinstanzliche Entscheidung des HG Wien vorgestellt. Das HG Wien erachtete – im Gegensatz zur nunmehrigen Rechtsansicht des OGH – einen solchen Risikoausschluss als unwirksam. Dies begründet das HG Wien damit, dass die Wortfolge „mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind“ für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer eine unklare Bedeutung darstellt und somit gröblich benachteiligend ist. Der OGH ist in seiner Entscheidung zu 7 Ob 42/21h vom 24.03.2021 nunmehr anderer Ansicht und hält den Risikoausschluss nicht für gröblich benachteiligend. Diese Entscheidung wird für anhängige und künftige Verfahren wohl eine weitereichende Bedeutung haben.

Deshalb empfehlen wir Ihnen jedenfalls eine genaue Prüfung des Rechtsschutzversicherungsvertrages, bevor Ansprüche geltend gemacht werden.

Wir beraten Sie gerne bei der Prüfung Ihres Versicherungsvertrages und der Frage, ob ein Deckungsschutz ihrer Rechtsschutzversicherung wegen anzustrengenden Verfahren im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise besteht. Zudem unterstützen wir Sie gerne bei den notwendigen Schritten zur Durchsetzung Ihrer Rechte. Ihre Ansprechpartner finden Sie hier.

 

Mag. Sophie Stürmer                                                Dr. Gerald Waitz

                       

 

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